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Fünf Dürrejahre in Folge, dazu Stürme, haben den hessischen Wäldern zugesetzt, Baumschädlinge hatten ein leichtes Spiel. Rund zehn Prozent der Forstfläche sind allein in Hessen – zusammen mit Rheinland-Pfalz das waldreichste Bundesland Deutschlands – seit 2018 abgestorben. Dabei war man hier bereits seit längerem auf einem guten Weg, weg von den Fichtenmonokulturen hin zu zukunftsfähigen Mischwäldern.

Mit Baumbruch, trockenem Geäst und Totholz auf dem Waldboden sind dennoch für Michelle Sundermann, Pressesprecherin von HessenForst, die Folgen des Klimawandels auch direkt vor ihrem Büro am Rande des Kasseler Habichtswaldes deutlich sichtbar.

Wir sprechen mit der ausgebildeten Försterin über die Herausforderung, Freiflächen wiederzubewalden und den richtigen Artenmix für den hessischen Forst zu finden.

Michelle Sundermann

Frau Sundermann, wie geplant können Sie auf das Baumsterben und den Klimawandel antworten?

Während der Dürrejahre haben wir das Konzept „Mischwald für morgen“ entwickelt mit drei bis fünf verschiedenen Baumarten auf einer Fläche. Es reicht natürlich nicht, einfach Bäume zu pflanzen, sondern sie müssen weiter gepflegt werden, dann muss man entscheiden, welcher bleibt und bekommt mehr Platz, damit er größer, stabiler und vitaler wird. Die Entwicklung eines arten- und strukturreichen Mischwaldes braucht also Zeit – der wir allerdings gelegentlich hinterherlaufen, wenn sich nach dem bekannten Borkenkäfer weitere Sekundärschädlinge invasiv vermehren.

Im vergangenen Jahr hat HessenForst zwischen Reinhardshagen in Nordhessen und Beerfelden im Odenwald 1.500 Hektar neuer Baumkulturen gepflanzt. Wie wählen Sie die Arten aus? 

Wir nutzen vor allem die wissenschaftlich fundierten Anbauempfehlungen der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und deren App. Damit lässt sich unter den prognostizierten Klimabedingungen für jeden Standort die ideale Waldgesellschaft bestimmen. Den digitalen Bestandsatlas des gesamtdeutschen Waldes ziehen wir heran, um langfristige Maßnahmen der Pflege und Bewirtschaftung zu planen. Genauso brauchen wir aber auch unsere Forstleute vor Ort mit ihrem speziellen Erfahrungsschatz für lokale Besonderheiten, die nämlich den Ausschlag geben können, ob eine Baumsorte an genau dieser oder jener Stelle gut gedeihen kann.

Michelle Sundermann
Pressesprecherin HessenForst

Wie anders werden demnach die hessischen Wälder vermutlich in 50, 100 und mehr Jahren aussehen?

Jenseits der vielbesprochenen Fichte sind Buchenwälder charakteristisch für Hessen und die Buche wird auch in Zukunft eine prägende Rolle spielen. Zu ihr werden sich trockenheitstolerante Eichen, Tannen, Douglasien oder auch Edellaubbäume wie Ahorn und Kirsche gesellen, die derzeit den größten Anteil unserer Neupflanzungen auf den Freiflächen ausmachen. Wegen ihres Nutzens für Insekten und Vögel und ihrer schönen Blüte pflanzen wir die Kirschen oft am Waldrand. Birke, Kiefer und Lärche hingegen siedeln sich gerne und reichlich von alleine an, da müssen wir eher aufpassen, dass sie nicht überhandnehmen. Fichten wird es selbstverständlich weiterhin geben, eingemischt allerdings und nur da, wo sie wirklich eine Chance haben bevor sie geerntet werden. Und Sie müssen bedenken: So eine Eiche wird über 200 Jahre alt, selbst eine Fichte um die 80 Jahre. Wir legen jetzt den Grundstein für die nächste Generation, und egal, welchen Baum wir pflanzen: Wir werden ihn nicht mehr ernten...

Findet diese bunte Holzmischung denn überhaupt noch Abnehmer und Verwerter?

Angesichts der Jahrzehnte, die ein Baum braucht, um seine volle Größe zu erreichen, kommt die stoffliche Verwertung für uns klar vor der energetischen. Um den Absatz müssen wir uns jedoch keine Gedanken machen: Der Rohstoff Holz ist gefragt und innovative Konzepte im Holzbau ersetzen die Fichte bereits durch andere Sorten.

Könnte man dem Wald nicht einfach die Anpassung an das Klima selbst überlassen, wie Naturschützer fordern?

Der Wald in Hessen, überhaupt in Deutschland, ist eine von Menschen geschaffene Kulturlandschaft und seit dem 18. Jahrhundert das Ergebnis nachhaltiger Bewirtschaftung, die heißt: Nie mehr Holz nutzen als nachwächst. Nichtsdestotrotz haben wir tatsächlich zehn Prozent der der Staatswaldfläche als Naturwaldentwicklungsfläche stillgelegt. Und in unseren 31 Naturwaldreservaten untersuchen wir gemeinsam mit der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, wie sich Fauna und Flora dort unter den aktuellen klimatischen Voraussetzungen verändern. Parallel dazu sind Vergleichsflächen im gleichen Naturraum ausgewiesen, die der regulären Waldbewirtschaftung unterliegen. Daraus gewonnene Erkenntnisse wiederum werden in unsere künftigen Planungen einfließen.

Wenn Sie sich etwas wünschen könnten...

So ein Sommer wie 2023 mit viel Niederschlag ist super, er hat zum großen Teil auch die tieferen Bodenspeicher wieder aufgefüllt, und natürlich die oberen Schichten, so dass unsere diesjährigen Pflanzungen erst einmal gut übers erste Jahr kommen und eigene Wurzeln ausbilden können. 

„Dein Tag für den Wald“

Zu den Pflanzaktionen rund um den Internationalen Tag der Wälder am 21. März sind alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen, im Wald mit anzupacken. Neben dem Pflanzen junger Baumsetzlinge geht es auch um die Pflege von Biotopen oder den Bau von Nistkästen und Zäunen. Ab Mitte Februar 2024 können Sie sich anmelden.

www.hessen-forst.de