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Bei der Umsetzung der Energiewende kommt Ver­teil­netz­betrei­bern wie der EAM eine ganz beson­dere Rolle zu. Wir haben mit den beiden Geschäfts­führern der EAM Netz GmbH Jörg Hartmann und Dr. Sebastian Breker über die großen Auf­gaben ge­sprochen, vor denen die kommu­nale EAM gerade steht. Die beiden geben spann­ende Ein­blicke in die Ent­wicklung der Energie­versorgung.

Jörg Hartmann (links) und Sebastian Breker – Geschäftsführer der EAM Netz GmbH

Die Ziele bei der Um­setz­ung der Energie­wende sind am­bitio­niert und die Heraus­forde­run­gen groß. Wie sehen aktuell die Ent­wicklun­gen bei der Energie­versor­gung in Deutschland aus?

Jörg Hartmann: Die Spitzenlast im Stromnetz wird in den kommen­den Jahren weiter deutlich steigen. Wir gehen davon aus, dass der Bedarf an elek­trischer Energie bei Umset­zung der energie­politi­schen Ziele der Bundes­regierung bis 2030 in etwa sieben Jahren rund 50 Prozent höher sein wird als heute. Grund dafür ist die steigende Zahl von elek­trischen Fahr­zeugen und der damit verbun­dene An­schluss der erforder­lichen Lade­infra­struktur in Form von Wall­boxen und öffent­lichen Schnell­lade­punkten sowie die steigen­de Nutzung von Wärme­pumpen zur Gebäude­be­heizung.

Gerade die Um­setz­ung der Energie­wende im Wärme­bereich ist eine große Aufgabe und wird zu deutlichen Last­steige­rungen im Strom­netz führen. Zug­leich erleben wir aktuell und voraus­sicht­lich auch in den kommenden Jahren einen enormen Zubau von rege­nera­tiven Er­zeugungs­anla­gen in allen Leistungs­größen, die in unser Strom­netz ein­speisen. Beide Aspekte sind wichtige Bau­steine für die Um­setzung der Energie­wende. Für uns als Netz­betreiber – mit der Ver­antwort­ung für den Erhalt der hohen Ver­sorgungs­sicher­heit – ist dieser Prozess aber auch mit großen Heraus­forderun­gen bei der er­forder­lichen Weiter­entwicklung und dem Aus­bau der Netz­infra­struk­tur ver­bunden. 

Sebastian Breker

Sie haben den enormen Anstieg beim Zubau von EEG-Anlagen erwähnt. Was bedeutet das konkret für die EAM?

Sebastian Breker: Ausgelöst durch die politische Zielsetzung und verstärkt durch die Energiekrise in Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erleben wir aktuell einen Boom beim Zubau von EEG-Anlagen, insbesondere von Photovoltaikanlagen. Lassen Sie mich das einmal in Zahlen verdeutlichen: Im Jahr 2022 haben sich die Anschlussanfragen für EEG-Anlagen in unserem Netzgebiet im Vergleich zum Vorjahreswert verdoppelt. Für dieses Jahr rechnen wir mit einer weiteren Steigerung der Anschlussanfragen um mindestens 50 Prozent. Derzeit speisen bereits mehr als 70.000 EEG-Anlagen in das Netz der EAM ein. Allein im vergangenen Jahr wurden mehr als 13.500 EEG-Anlagen in unserem Netzgebiet neu angemeldet, in diesem Jahr werden es voraussichtlich zwischen 20.000 und 25.000 Anmeldungen sein. Das ist in Bezug auf die Ziele der Energiewende ein sehr erfreulicher Trend.

Die beispiellos große Zahl von Anmeldungen von EEG-Anlagen fordert unsere EEG-Teams sehr stark – insbesondere im Hinblick auf die erforderliche technische Prüfung der Anschlussmöglichkeit. Bei uns gehen seit einiger Zeit rund 500 Neuanmeldungen von EEG-Anlagen pro Woche ein. Wir haben dafür unsere EEG-Teams in den letzten zwei Jahren personell verstärkt und optimieren unsere Prozessabläufe, um die Bearbeitung der Vorgänge zu beschleunigen. Wir arbeiten mit aller Kraft an einer schnellen Bearbeitung der Anfragen. Dennoch kommt es aktuell durch die immense Zahl an Neuanmeldungen zu längeren Bearbeitungszeiten bei der Genehmigung der Anlagen bzw. bei der Erteilung der Einspeisezusage. Das tut uns wirklich leid, aber dieser Trend trifft uns als ländlichen Versorger eben besonders stark.

Was meinen Sie damit? Warum sind ländliche Versorger wie die EAM aktuell besonders gefordert?

Jörg Hartmann: Die Energiewende findet auf dem Land statt. Hier werden die Windparks gebaut, und hier haben wir die entsprechenden Dachflächen für PV-Anlagen oder Platz für Freiflächenanlagen. Zudem werden hier immer mehr Wallboxen zum Laden von E-Fahrzeugen angeschlossen, da die Menschen, die sich ein Elektroauto zulegen, über einen eigenen Stellplatz oder eine Autogarage verfügen.

Haben wir bislang mit einem durchschnittlichen Bedarf von zwei Kilowatt pro Haushalt gerechnet, werden nun Hausanschlüsse etwa in Neubaugebieten oder bei Netzverstärkungen mit zehn bis fünfzehn Kilowatt geplant. Mit unserem überwiegend ländlichen Ver­sorgungs­gebiet kommt uns also bei der Umsetzung der Energiewende zusammen mit anderen Energieversorgern eine zentrale Rolle zu. 

Jörg Hartmann

Wie wollen Sie das erreichen?

Jörg Hartmann: Das lässt sich nur durch entsprechende Investitionen in den Netzausbau erfüllen. Damit die Verteilnetze als Rückgrat der Energiewende durch die hohen Einspeisemengen insbesondere in den Sommermonaten und den steigenden Leistungsbedarf vor allem in den Wintermonaten nicht überlastet werden, muss das Stromnetz in den kommenden Jahren massiv ausgebaut werden.

Wir investieren kontinuierlich in unser Netz. Durch den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren muss auch der Netzausbau beschleunigt passieren. Beispielsweise werden wir die Zahl der Trafostationen langfristig verdreifachen und auch Kabel anders dimensionieren müssen. Das ist mit hohen Kosten für die Netzinfrastruktur verbunden: Im vergangenen Jahr hat die EAM-Gruppe rund 100 Millionen Euro investiert, fast drei Viertel davon in die Energienetze. Dieses Jahr investieren wir eine Rekordsumme von nahezu 140 Millionen Euro – von der ein wesentlicher Anteil in die Energiewende fließen wird.

Das hört sich so an, als wäre die Energiewende auf einem guten Weg?

Sebastian Breker: Der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien auf der einen Seite und die Elektrifizierung der Mobilität und Wärme auf der anderen Seite sind sehr positive Aspekte für die Energiewende. Eine Herausforderung bleibt die sichere Energieversorgung in der dunklen Jahreszeit, wenn mehr Energie benötigt wird, die Sonne aber an vielen Tagen kaum scheint und bei ruhigen Winterwetterlagen wenig Wind weht.

Um mehr erneuerbare Energie nutzen zu können und gleichzeitig Stabilität in der Dunkelflaute zu sichern, gewinnen der Ausbau neuer gesicherter CO2-armer Kraftwerksleistung und die Einbindung von Energiespeichern immer mehr an Bedeutung. Der Speichermarkt steht in Deutschland noch am Anfang des Markthochlaufs. Auch wir beschäftigen uns intensiv mit diesem wichtigen Zukunftsthema. Wir sehen uns als Treiber der Energiewende und arbeiten dafür auch partnerschaftlich mit den Kommunen unseres Versorgungsgebietes zusammen. 

Das klingt nach einer Mammutaufgabe.

Sebastian Breker: Es ist ein enormer Umbau unserer Energieversorgung, zugleich jedoch die große Chance, hier eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Auch für unser Unternehmen wird die verantwortungsvolle Aufgabe immer größer werden, die stetig steigenden Strommengen, die auf der einen Seite dezentral produziert und auf der anderen Seite in zunehmendem Maße auch dezentral benötigt werden, so über das Stromnetz zu verteilen, dass es zu keinen Engpässen kommt und die hohe Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet ist.

Damit das gelingt, stellen wir aktuell und auch in den kommenden Jahren zusätzliche Mitarbeiter mit unterschiedlichen Qualifikationen ein, die uns bei der großen, aber auch sehr spannenden Aufgabe unterstützen möchten, die Umsetzung der Energiewende aktiv und erfolgreich zu gestalten. 

Vielen Dank für das Gespräch!