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Stabiles Jahresergebnis, Wachstumsprogramm, Umsetzung der Energiewende in der Region – trotz schwerer Bedingungen ist es der EAM im vergangenen Jahr gelungen, ihren konsequent nachhaltigen Kurs fortzusetzen. Wir blicken mit den beiden EAM-Geschäftsführern Olaf Kieser und Hans-Hinrich Schriever auf ein sehr forderndes Geschäftsjahr und aktuelle Perspektiven des Unternehmens.

Olaf Kieser

Herr Kieser, Sie sind schon lange in der Energiebranche tätig. Wie bewerten Sie das vergangene Jahr, das vom Ukraine-Krieg und von einer bisher in dieser Form nie da gewesenen Energiekrise geprägt war?

Olaf Kieser: Es hat uns noch einmal ganz deutlich vor Augen geführt, dass wir etwas ändern müssen. Die Energiebranche und die gesamte Gesellschaft stehen vor großen Herausforderungen. Die Lösung kann nur die konsequente Umsetzung der Energiewende sein, um uns unabhängig von fossilen Energieträgern zu machen. Wir stehen vor einer der größten Modernisierungen in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts – diese Aufgabe ist hoch ambitioniert. Wir sind uns bewusst, dass der EAM als regionalem Energiepartner dabei eine besondere Verantwortung zukommt. Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass sich das EAM-Team auch von sehr schwierigen Rahmenbedingungen nicht vom Kurs abbringen lässt.

Herr Schriever, was waren die wesentlichen Gründe für eine vergleichsweise positive Entwicklung der EAM im vergangenen Jahr?

Hans-Hinrich Schriever: Die krisengeprägte Situation hat unsere strategische Ausrichtung bestärkt und uns noch mehr motiviert, intensiv an einer CO2-freien Zukunft zu arbeiten. Wir haben uns gefreut, dass es viele Menschen gibt, die Interesse haben, bei dieser gesellschaftlich hoch relevanten Aufgabe mitzuwirken: Wir konnten im vergangenen Jahr 100 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen, die sich mit unseren Zielen identifizieren. Unseren Wachstumskurs werden wir in diesem Jahr mit weiteren 200 geplanten Neueinstellungen fortsetzen. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Attraktivität als Arbeitgeber und unsere Stabilität auf drei Grundpfeilern basiert: partnerschaftliche Zusammenarbeit, regionale Identität und Entschlossenheit zur professionellen Umsetzung der Energiewende.

Olaf KieserEin wichtiger Punkt im vergangenen Jahr war auch, dass wir aufgrund einer vorsorgenden Energiebeschaffung unseren Bestandskunden trotz erheblicher Preissteigerungen an den Märkten sehr moderate Preise sichern konnten. Unsere Konditionen für Privat- und Gewerbekunden liegen beim Strom und Gas unter der Preisbremse. Gewiss, neben dem Geschick spielt auch ein wenig Glück mit. Aber grundsätzlich hat dieses Beispiel erneut gezeigt, was uns als Unternehmen von kurzfristig agierenden Discountern unterscheidet.

Was tut die EAM konkret, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben?

Olaf Kieser: Ein wichtiger Punkt ist hier die Windenergie. Wir betreiben eigene Windkraftanlagen und unterstützen Städte und Gemeinden bei der Planung und Umsetzung von Windenergieprojekten. Im vergangenen Jahr haben wir mit der Energiegenossenschaft Schwalm-Knüll und der Stadt Schwalmstadt im Schwalm-Eder-Kreis einen Windpark mit drei Windenergieanlagen in Betrieb genommen. Mit dem vor Ort erzeugten Strom lassen sich jährlich rund 10.000 Haushalte versorgen. In diesem Jahr haben wir die Genehmigung für den Bau und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen nahe der Stadt Liebenau im Landkreis Kassel erhalten. Der Park soll Ende 2024 in Betrieb gehen.

 

Hans-Hinrich Schriever

Beim Windpark Reinhardswald geht es aber nicht wirklich voran. Wo hakt es hier?

Hans-Hinrich Schriever: Das Projekt im Reinhardswald ist ein Beispiel, dass der Ausbau der Windkraft auch bei guten Argumenten nicht in allen Teilen der Gesellschaft positiv gesehen wird. Unser Ziel ist es, dass die geplanten 18 Windkraftanlagen so schnell wie möglich vollständig in Betrieb gehen können. Die grüne Energie aus dem Reinhardswald wird einen enormen Beitrag zum Klimaschutz leisten – allein durch diesen Windpark könnten etwa 105.000 Haushalte mit sauberer und heimischer Energie beliefert werden.

Olaf Kieser: Eine Energiewende, die man nirgendwo sieht, wird es nicht geben. Wir müssen bereit sein, Windräder und Solaranlagen im Landschaftsbild zu akzeptieren. Natürlich muss der Ausbau immer mit Augenmaß und im engen Dialog mit den Kommunen und den Bürgern stattfinden – das ist für uns eine Grundregel. Neue Wind- und PV-Projekte sind schon heute die günstigsten Arten der Stromerzeugung in Deutschland. Wir haben die passenden Werkzeuge für die Energiewende – ihr Einsatz muss nur viel schneller und effizienter möglich sein.

 

Sie sprachen auch das Thema Photovoltaik an. Wie engagiert sich die EAM in diesem Bereich?

Olaf Kieser: Hier sind wir ebenfalls sehr aktiv. In Moringen im Landkreis Northeim haben wir im vergangenen Jahr zum ersten Mal eine PV-Anlage auf einer Deponie in Betrieb genommen. Mit der örtlichen Energiegenossenschaft haben wir zudem den Bürgersolarpark Hardegsen mit einer Leistung von 11,5 Megawatt errichtet. Damit lassen sich rund 3.200 Haushalte mit Strom aus Sonnenenergie versorgen. Außerdem wollen wir Photovoltaikanlagen auf größeren Flächen errichten und betreiben, die wir von Landwirten in unserem Geschäftsgebiet dafür pachten möchten.

Hans-Hinrich Schriever: Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien dürfen wir aber einen ganz wichtigen Aspekt der Energiewende nicht vergessen: Die regenerativ erzeugte Energie muss auch in die Stromnetze aufgenommen werden können, sie sind das Rückgrat der Energiewende. Für den stetigen Ausbau der erneuerbaren Energien investieren wir kontinuierlich in unsere Netz-Infrastruktur.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Hans-Hinrich Schriever: Im vergangenen Jahr haben wir für 4,5 Millionen Euro zwischen der Gemeinde Lahntal und der Stadt Marburg in nur zwölf Monaten Bauzeit ein komplett neues Umspannwerk gebaut und in Betrieb genommen. Im Main-Kinzig-Kreis haben wir kürzlich knapp zwei Millionen Euro in den technischen Neubau des Umspannwerks Dörnigheim investiert, um uns auf die wachsenden Anforderungen an die Stromversorgung in der Region vorzubereiten. Insgesamt haben wir im vergangenen Jahr rund 100 Millionen Euro investiert. Fast drei Viertel davon sind in den Erhalt, den Ausbau und die Modernisierung unseres Stromnetzes geflossen. Darüber hinaus investieren wir aber auch in Personal und in hochmoderne IT-Systeme, um sowohl den Anschluss von EEG-Anlagen als auch die Integration dieser Anlagen in einem immer komplexer werdenden Energiesystem sicherzustellen.

Olaf Kieser: Aktuell sind allein an das Netz der EAM mehr als 65.000 EEG-Anlagen angeschlossen, die Energie für den Eigenbedarf erzeugen oder den erzeugten Strom in unser Netz einspeisen. Mehr als 7.000 davon sind allein im vergangenen Jahr in Betrieb genommen worden, ein neuer Rekordwert.

Diese Zahl wird mit der Energiewende sicher noch steigen, oder?

Hans-Hinrich Schriever: Um die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen, werden wir bis 2030 voraussichtlich mehr als 100.000 weitere PV-Anlagen an unser Stromnetz anschließen. Das sind im Durchschnitt jedes Jahr rund 15.000 neue PV-Anlagen. Dafür müssen wir Erzeuger, Verbraucher, Speicher und die Netzinfrastruktur künftig stärker vernetzen. In diesem Jahr planen wir mit der EAM-Gruppe Investitionen von mehr als 140 Millionen Euro – eine Rekordsumme, von der ein wesentlicher Anteil in die Energiewende fließt.

Bis zum Jahr 2030 sollen laut Bundesregierung etwa 15 Millionen Elektroautos auf unseren Straßen unterwegs sein. Ist das zu realisieren?

Olaf Kieser: Die Verkehrswende ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Auch hier gilt: Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, müssen wir die öffentliche Ladeinfrastruktur flächendeckend und vor allem schnell ausbauen. An mehreren Standorten in unserem Netzgebiet haben wir in diesem Jahr bereits moderne Hochleistungs-Schnellladesäulen aufgestellt, beispielsweise am Göttinger Kaufpark. Auch an mehreren Hotels in Südniedersachsen haben wir kürzlich neue Ladepunkte errichtet.

Hans-Hinrich Schriever: Mit mehreren Kommunen haben wir zudem Pilotprojekte gestartet und entwickeln gemeinsam individuelle, maßgeschneiderte Energiewendekonzepte für die Städte und Gemeinden mit klarer Ausrichtung auf CO2-Reduktion. Dazu gehören Maßnahmen aus den Bereichen Photovoltaik, Elektromobilität, Nahwärme und Energiesparsanierung für den kommunalen, aber auch den privaten und gewerblichen Bereich. Die Energiewende ist sehr vielschichtig und komplex, sie kann nur ganzheitlich umgesetzt werden.

Jetzt haben wir viel über Ihr Engagement als Unternehmen gesprochen und recht wenig über die politischen Rahmenbedingungen. Wie ist Ihre Haltung dazu?

Olaf Kieser: Jammern ist nicht unser Ding. Erst einmal gilt für uns die Philosophie, dass wir versuchen, aus den gegebenen Umständen das Beste zu machen. Aber natürlich haben wir Erwartungen an die Politik, die wir im Übrigen als einer der größten deutschen Regionalversorger unter anderem regelmäßig bei entsprechenden Foren in Deutschland deutlich artikulieren. Klar ist aus Sicht der gesamten Branche: Wir müssen schnellstmöglich das Ausbautempo bei den erneuerbaren Energien erheblich steigern. Wir brauchen jetzt einen Turbo, um Erneuerbare-Energien-Projekte zügig umsetzen zu können. Insbesondere in den vergangenen zehn Jahren wurde der Ausbau durch langatmige und umständliche Genehmigungsverfahren ausgebremst. Wir brauchen ganz schnell ein verbessertes Planungs- und Genehmigungsrecht. Die Signale aus der Politik dazu stimmen uns verhalten optimistisch.

Hans-Hinrich Schriever: Wir als EAM stehen dafür, die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung umzusetzen und werden weiterhin unseren Beitrag leisten. Sicherlich werden uns auf dem Weg noch viele Hindernisse begegnen. Die teilweise problematische Beschaffung von Material, das Thema Fachkräftemangel und nicht vorhersehbare Ereignisse werden uns weiterhin fordern. Wir sind aber davon überzeugt, dass Krisen auch immer Chancen aufzeigen und Innovationen hervorbringen. Unser Ansatz bleibt optimistisch: Wir alle müssen den Blick nach vorn richten und gemeinsam an einer nachhaltigen Energiezukunft arbeiten.

Vielen Dank für das Gespräch.