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Von einem, der auszog, die Früchte der Windkraft zu ernten: ein Porträt

Ralf Paschold baut Windparks seit fast 30 Jahren. In Nordhessen, aber auch über Deutschland hinaus kennt man ihn als unermüdlichen Ideengeber und Streiter für die Windkraft. In der Windparkgesellschaft Reinhardswald vertritt er die Interessen der Energiegenossenschaft Reinhardswald EGR mit vier Anrainerkommunen rings um den Mittelgebirgszug zwischen Weser, Diemel und Fulda. Und deren Stimmen haben starke Wurzeln! Zusammen mit dem Windkraftplaner besitzen die Genossenschaftler die 51-prozentige Anteilsmehrheit der Windparkgesellschaft. Bereits 2012 gründeten sie ihren genossenschaftlichen Zusammenschluss, über den Pachtvertrag für zwei Windvorrangflächen im Reinhardswald verankerten sie 2017 ebenso vorausschauend wie weitsichtig die grundlegende Werthaltigkeit fest in der Region. Dieses entschlossene Handeln durch Kommunen und ihre Bürgermeister war in jenen Tagen noch ein absolutes Novum. Ohne die Expertise Pascholds, der sie dabei nach Kräften unterstützte, wäre es wohl undenkbar gewesen. Seit Oktober 2015 sind auch die EAM, die Städtischen Werke Kassel und die Stadtwerke Eschwege als engagierte Partner mit dabei im Windparkprojekt Reinhardswald.

Ralf Paschold

In Hofgeismar liegt der Reinhardswald praktisch vor der Haustür, Ralf Paschold ist hier aufgewachsen, der Wald ist ihm vertraut von klein auf, seit der 1993 bestandenen Jägerprüfung auch aus dieser Perspektive. Während seiner Kindheit und Jugend allerdings boten die Wälder noch einen gänzlich anderen Anblick. Der 56-Jährige erinnert sich gut: „Mit ihrem typischen dichten Blätterdach, unter dem man unendlich weit schauen kann, dominierten langstämmige alte Buchen das Bild zu großen Teilen.“ Das ist vorbei, aktuell gibt es auf den Höhen des Reinhardswaldes mehr baumfreies Terrain als ausgewiesene Flächen für die Windkraft. Von den insgesamt 20.000 Hektar, die der Forst umfasst, sind 5.000 Hektar nach den Stürmen und Dürren der letzten Jahre vollkommen abgeräumt, umgestürzt, verdorrt, vom Borkenkäfer zerfressen, hauptsächlich die Fichten und mittlerweile auch Buchen. Der Waldboden ist zu Frühlingsbeginn schon so trocken wie früher Ende August nach einem heißen Sommer ohne Niederschlag, und jede Arbeit im Forst wirbelt staubige Wolken auf. Ein Jammer.

Ein erster Planungsauftrag für eine Windparkgenehmigung in der Mitte der 1990er-Jahre brachte den einigermaßen frisch gebackenen Landschaftsarchitekten zu dem Thema, das fortan sein Leben bestimmen sollte – Wald und Wind. Für Ralf Paschold war klar:

„Das ist die Zukunft, und so habe ich zunächst die Windkraft-Kontor Planungsgesellschaft mbH gegründet und sehr bald auch die Verwaltungsgesellschaft und eine GmbH für die technische Betriebsführung. Aufgrund meiner Qualifikation konnte ich zur Erlangung der Genehmigung nahezu alles selbst in die Hand nehmen. Die Unterlagen zu Genehmigungsverfahren passten in einen Aktenordner, das Schallgutachten umfasste eine Seite und kam vom Anlagenhersteller, ebenso das Schattengutachten. Ein Windparkprojekt kostete 10.000 Mark Genehmigungsgebühr. Für das Projekt im Reinhardswald zahlen wir 780.000 Euro.“  

Einen Faktor hatte er jedoch damals unterschätzt – die Zeit, bis eine Genehmigung eintrudelte: „Ich wollte etwas umsetzen, und drei Jahre Warten können für einen jungen Menschen eine Ewigkeit bedeuten.“ Also ging er ins Ausland. In Frankreich war er zwar Pionier in Sachen Windkraft und entdeckte auf der Suche geeigneter Windstandorte nebenbei noch so eine andere Windsache – seine Leidenschaft fürs Segeln, woraus später sogar ein Törnführer für die französische Atlantikküste wurde. Aber Ralf Paschold musste ebenfalls feststellen, dass nicht nur die Sprache der Franzosen kompliziert ist, auch die Administration schien deren Erfindung zu sein: Aus drei Jahren Hinarbeiten auf eine Genehmigung wurden rasch fünf bis sieben. In Kanada entstand 2006 ein Projekt mit 100 Megawatt, weitere Vorhaben in Griechenland wurden schließlich aufgrund von Korruption aufgegeben.

2010 entschied Ralf Paschold, sich im Schwerpunkt wieder der Entwicklung von regional verankerten Projekten in Deutschland zu widmen. Er verkaufte die Unternehmungen im Ausland und führte seinen Arbeits- und Lebensmittelpunkt wieder in den heimatlichen Gefilden zusammen – „back to the roots“. Im Verein mit den Bürgermeistern der Energiegenossenschaft bereitete er das Wurzelwerk für den Windpark Reinhardswald und holte die EAM und die Stadtwerke mit ins Boot. Was früher Windparkprojekte in Eigenregie waren, wurde auf diese Weise zu echter Teamarbeit im Geist der Energiewende. „Wir als Team haben das Potenzial, einen wesentlichen Beitrag im Rahmen der Transformation der Energieerzeugung hin zu den erneuerbaren Energien zu leisten und auf diesem Weg die regional verankerte Wirtschaft ebenso mitzunehmen wie Kommunen und Bürger“, bekräftigt der Windparkentwickler.

Ärgerlich macht ihn gerade das Politikversagen der vergangenen Legislaturperioden in Bezug auf den Ausbau nachhaltiger Energieerzeugung, noch ärgerlicher wird er bei der Verbreitung von Falschinformationen in der Presse. Geduldig wehrt er zusammen mit dem Windpark-Team Klagen von Gegnern ab und leistet bei Behörden und gegenüber Bürgern täglich Aufklärungsarbeit über die natürlichen Habitate von Hirschkäfer-Engerlingen und Haselmäusen oder die Jagdgründe des Rotmilans, die bei einer im vergangenen Jahr vorgenommenen Besenderung bis in den letzten Winkel verfolgt wurden. Der jagt nämlich nicht auf den Kuppen des Reinhardswaldes, sondern nachweislich weiter unten im Tal. Viel gefährlicher als die Flügel von Windrädern sind für die akrobatischen Flieger Prädatoren wie Waschbären, motorisierter Verkehr oder Rattengift, um nur einige Risiken aufzuzählen. Auch das Verhalten aller anderen im Reinhardswald lebenden Großvögel wird seit 2015 konsequent beobachtet. Um Salamander, Molche, Unken, Kröten und Frösche vor dem Tod durch Arbeitsfahrzeuge zu schützen, wurden bislang über 1.600 Meter Amphibienzäune aufgebaut, deren Errichtung er persönlich überwachte.

„Artenschutz und Windenergie sind kein Widerspruch. Wenn wir das eine wollen, müssen wir das andere tun.“ 

Ralf Paschold ist und bleibt zuversichtlich: „2024 werden sich die Windmühlen im Reinhardswald drehen und wir können Energie produzieren für über 100.000 Haushalte. Der Wald kann trotzdem und gerade deswegen wachsen.“ Es wird ein gemeinsamer Erfolg sein!

Der Windpark Reinhardswald in Zahlen

18 Windkraftanlagen

  • Typ: Vestas V150

  • Nabenhöhe: 166 Meter

  • Nennleistung: 5,6 MW

  • Geplante Gesamtleistung: 100,8 MW

  • Dauerhafter Flächenbedarf: ca. 14 Hektar für Anlagen und Zuwegung (das sind maximal 0,07 Prozent der Gesamtausdehnung des Reinhardswaldes)

  • Geplante Inbetriebnahme: 2024

Jede der Windkraftanlagen erzeugt jährlich ca. 17,1 Mio. kWh sauberen Strom und vermeidet damit rund 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Alle 18 Anlagen zusammen werden etwa 100.000 Haushalte mit Energie versorgen.

www.wp-reinhardswald.de